Entstehung

Die Aufgabenwahrnehmung nach § 100 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), also vor allem für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach §§ 39 ff BSHG, die Hilfe zur Pflege nach § 68 BSHG und die Gefährdetenhilfe nach § 72 BSHG in stationären und teilstationären Einrichtungen, ist in den Flächenländern der Bundesrepublik Deutschland sehr unterschiedlich geregelt. Das Land ist staatlicher überörtlicher Träger der Sozialhilfe in Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Höhere Kommunalverbände als überörtliche Träger der Sozialhilfe gibt es als Landeswohlfahrtsverbände in Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen, als Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen, als Bezirke in Bayern und als Kommunaler Sozialverband seit dem 01. Januar 2002 in Mecklenburg-Vorpommern.

In den Jahren ist es in vielen Ländern zu Veränderungen in der Zuständigkeit sowohl in der Durchführung, als auch in der Kostenverantwortung gekommen. Beispielhaft seien das Kostenteilungsabkommen (Quotales System) in Schleswig-Holstein Anfang der 90-iger Jahre, die Kommunalisierung durch Errichtung des Landeswohlfahrtsverbandes in Sachsen 1994 und die Verlagerung der Hilfe zur Pflege vom überörtlichen Träger der Sozialhilfe auf die Landkreise und kreisfreien Städte als örtlicher Träger der Sozialhilfe in Baden-Württemberg und Nordrhein- Westfalen genannt. In einer Reihe von Ländern gab und gibt es aktuelle Überlegungen zu Veränderungen in Richtung auf eine stärkere Aufgabenübertragung oder zumindest Delegation mit Kostenerstattung von den Ländern auf die Landkreise und kreisfreien Städte bzw. einen kommunalen überörtlichen Träger, so z.B. in Sachsen-Anhalt, Thüringen und in Brandenburg. Die wohl weitestgehende Verlagerung von Aufgaben der überörtlichen Sozialhilfe auf die kommunale Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte hat es zum 01.Januar 2002 in Mecklenburg-Vorpommern gegeben.

Seit dem 01. Januar 1991 war in Mecklenburg-Vorpommern das Land überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Für die Durchführung dieser Aufgaben wurde jedoch kein Landessozialamt errichtet, sondern es fand bereits eine weitgehende Delegation der Aufgabendurchführung auf die Landkreise und kreisfreien Städte statt. Einige Aufgaben, deren zentrale Wahrnehmung für sinnvoll erachtet wurde, verblieben beim Sozialministerium als Behörde des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe. Die den Landkreisen und kreisfreien Städten auf Grund der Durchführung der Aufgaben der überörtlichen Sozialhilfe entstehenden Kosten (außer Verwaltungskosten) wurden vom Land erstattet.

Als problematisch entwickelte sich das Auseinanderfallen von Entscheidungs- und Kostenverantwortung. Dieses führte zu einem vergleichsweise zögerlichen Aufbau von ambulanten Hilfeangeboten in der Eingliederungshilfe und in der Hilfe zur Pflege. So war zum Beispiel der Anreiz, für die Hilfebedürftigen anstelle von Heimplätzen Möglichkeiten für betreutes Wohnen zu schaffen, nicht besonders ausgeprägt. Die Förderung von Einrichtungen verstärkte diese Tendenz. In einigen Landkreisen gab es daher nur relativ wenige Angebote an betreutem Wohnen für Menschen mit Behinderungen.

Diese Probleme führten bereits in den Jahren 1994/1995 zu ersten Überlegungen zwischen den kommunalen Landesverbänden und dem Sozialministerium darüber, ob nicht auch in Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise ein Kostenteilungsabkommen wie in Schleswig-Holstein durch eine Änderung des Ausführungsgesetzes zum BSHG eingeführt werden sollte.

Im Jahr 1998 begannen ein konkreter Meinungsaustausch und später sehr intensive Verhandlungen zwischen den kommunalen Landesverbänden und den auf Landesseite zu beteiligenden Ministerien (Innenministerium, Finanzministerium und Sozialministerium) darüber, wie eine Zusammenführung von Entscheidungs- und Kostenverantwortung sowie eine Bündelung der Zuständigkeit für ambulante, teilstationäre und stationäre Sozialhilfeleistungen in Mecklenburg-Vorpommern verwirklicht werden könnte.

Der Gesetzentwurf wurde von den beiden kommunalen Spitzenverbänden und der Landesverwaltung gemeinsam erarbeitet, im Mai 2001 von der Landesregierung und im Dezember 2001 vom Landtag beschlossen.
Als Artikelgesetz enthält das Gesetz zur Neuordnung der Aufgaben nach dem Bundessozialhilfegesetz und anderen Sozialvorschriften vom 17.12.2001 (GVOBl. M-V, S. 612) in drei Artikeln die wesentlichen gesetzlichen Regelungen in eigenständigen Gesetzen: Die Neufassung des Ausführungsgesetzes zum Bundessozialhilfegesetz, das Gesetz zur Errichtung des Kommunalen Sozialverbandes Mecklenburg-Vorpommern und das Sozialhilfefinanzierungsgesetz.

Durch die Neufassung des AG-BSHG wird die sachliche Zuständigkeit für alle Aufgaben der überörtlichen Sozialhilfe nach § 100 BSHG den Landkreisen und kreisfreien Städten zugewiesen. Da die Landkreise und kreisfreien Städte diese Aufgaben schon bisher durchgeführt haben, liegt die entscheidende Veränderung in der zusätzlichen Übernahme der Kostenverantwortung.

Dem Kommunalen Sozialverband Mecklenburg-Vorpommern als dem neuen überörtlichen Träger der Sozialhilfe werden die Aufgaben zugewiesen, die bis Ende 2001 vom Sozialministerium selbst wahrgenommen wurden. Außerdem wurden einige Anpassungen an Veränderungen in der Bundesgesetzgebung vorgenommen.

Als neuer überörtlicher Träger der Sozialhilfe wurde der Kommunale Sozialverband Mecklenburg-Vorpommern als höherer Kommunalverband errichtet. Getragen wurde er von den 12 Landkreisen und den 6 kreisfreien Städten Mecklenburg-Vorpommerns. Für die Aufbauphase wurde von der Sozialministerin ein Errichtungsbeauftragter bestellt. Außerdem wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialministeriums zum Kommunalen Sozialverband abgeordnet, um den Übergang der Aufgabenerledigung abzusichern und den Aufbau einer Verwaltung im Verband zu ermöglichen.

Schwerpunkt in den Diskussionen bei der Vorbereitung des Regierungsentwurfs und der Beratung des Gesetzes im Landtag war das Sozialhilfefinanzierungsgesetz. Sicherzustellen galt es vor allem, dass das in Artikel 73 Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern festgeschriebene so genannte Konnexitätsprinzip eingehalten wird. Da die eigenständige Kostenverantwortung der Landkreise und kreisfreien Städte an die Stelle der Kostenerstattung für aufgewendete Kosten durch das Land treten soll, wurden Zuweisungen für die durch die Übernahme der sachlichen Zuständigkeit für die neuen Aufgaben festgelegt. Grundlage waren die Ergebnisse der entstandenen Aufwendungen der Vorjahre und die Entwicklung der Fallzahlen und der Steigerung der Personal- und Sachkosten in den Hilfe gewährenden Einrichtungen. In das Gesetz wurde eine Anpassungsklausel aufgenommen. Wenn die endgültigen Jahresabrechnungen für das Jahr 2001 erhebliche Abweichungen von den zum Zeitpunkt der Festlegung der Beträge zu Grunde gelegten Berechnungen für dieses Jahr ergeben, sollen 50 % dieser Abweichungen in den drei Jahren auf die Beträge aufgeschlagen bzw. von ihnen abgezogen werden. Außerdem sollen die Beträge aufgestockt werden, wenn gesetzliche Änderungen mit unmittelbaren Auswirkungen auf die überörtliche Sozialhilfe auf EU-, Bundes- und Landesebene zu zusätzlichen Belastungen führen. Zu nennen ist hier insbesondere das SGB IX.

Schwierig gestaltete es sich, für die Verteilung der Beträge auf die Landkreise und kreisfreien Städte einen Schlüssel festzulegen. In diesem Schlüssel sind für das Jahr 2002 zu 80 von Hundert die bisherige Verteilung auf Grund der Jahresabrechnung von 1999, die letzte von den Überlegungen unbeeinflusste Jahresabrechnung, und zu 20 von Hundert der Anteil über 65-jähriger an der Gesamtbevölkerung eingegangen. Durch einen Vorwegabzug wird die besondere Belastung der Landkreise und kreisfreien Städte berücksichtigt, in denen Einrichtungen mit einem nach wie vor hohen Anteil von Hilfebedürftigen liegen, die bereits vor Inkrafttreten des BSHG am 01.01.1991 aufgenommen wurden, bei denen deshalb der so genannte Schutz des Anstaltsorts nicht greift. Eine Liste der Einrichtungen ist dem Gesetz beigefügt.

Aufrechterhalten wurde die direkte Kostenerstattung des Landes für Aufwendungen für die Hilfen bei Übertritt aus dem Ausland nach § 108 BSHG und für Hilfe für Deutsche im Ausland nach § 119 BSHG an den Kommunalen Sozialverband.

Ausgleichsleistungen des Landes für die Personal- und Sachkosten des Kommunalen Sozialverbandes, der durch Umlageerhebung bei den Landkreisen und kreisfreien Städten finanziert wird, werden vom Land erbracht. Diese Summe wird den Landkreisen und kreisfreien Städten nach dem Einwohnerschlüssel zugewiesen. Der in diesem Betrag enthaltene Personalkostenanteil wird jährlich entsprechend der Tarifentwicklung angepasst.

Mit dieser Aufgabenneuregelung wird ein beachtlicher Schritt in der Funktionalreform im Land Mecklenburg-Vorpommern getan. Die Verantwortung für umfangreiche Hilfen nach dem BSHG rückt näher an die betroffenen Bürger heran. Der Grundsatz des Vorrangs ambulanter Hilfen gegenüber der stationären Unterbringung wird sich wirkungsvoller als bisher umsetzen lassen, wenn die volle Zuständigkeit in einer Hand gebündelt ist. Gleichzeitig steigt das Maß der Verantwortung der kommunalen Selbstverwaltung für die Bürger. Schon bei den Beratungen zu den kommunalen Haushalten für 2002 wurde deutlich, dass in den Beratungen der Kreistage und Stadtvertretungen Fragen der überörtlichen Sozialhilfe zukünftig eine bedeutend größere Rolle spielen werden. Erst längere praktische Erfahrungen in der Umsetzung der Neuregelung werden zeigen, ob die Zielsetzungen des Gesetzes voll in Erfüllung gehen. Die Landkreise und kreisfreien Städte und ihre Landesverbände werden besonders darauf achten, ob die Konnexität gewährleistet ist. Bei der Ermittlung und Auswertung der dafür erforderlichen Daten wurde ein betriebswirtschaftliches Begleitprojekt geschaffen, mit dem ein Beratungsunternehmen vom Landkreistag und Städte- und Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommerns beauftragt wurde und die Veränderungen der Neuregelung und die finanziellen Auswirkungen dokumentiert.

Mit dem zum 01.12.2012 in Kraft getretenen Aufgabenzuordnungsgesetz M-V wurden dem KSV M-V die Aufgaben des Landesjugendamtes als dem überörtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe übertragen. Dabei wurde der bundesgesetzliche Aufgabenkatalog des § 85 Abs. 2 SGB VIII nicht komplett übertragen, einige Aufgaben blieben beim Land, was zu Schnittstellen geführt hat. In diese Aufgabenteilung und die damit verbundene Zusammenarbeit mussten sich die Akteure zunächst formell und vor allem inhaltlich einfinden. Die zunächst am alten Standort des Landesjugendamtes beim LAGuS in Neubrandenburg aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung, einschließlich einer zur Wahrung der fachlichen Kontiniutät wichtigen Personalgestellung, eingerichtete Nebenstelle, konnte im Mai 2014 frühzeitiger als geplant eingestellt werden. Seit dem ist das gesamte Landesjugendamt in Schwerin angesiedelt.

Zum 01.11.2015 wurde der KSV M-V in seiner Funktion als Landesjugendamt Landesverteilungsstelle nach § 42b Abs. 6 SGB VIII für unbegleitete minderjährige Ausländer.

Mit der Neuregelung des Ausführungsgesetzes des Landes zum SGB XII, welches auch das Sozialhilfefinanzierungsgesetz zum 01.01.2016 ablöst, wurde der KSV M-V mit der Wahrnehmung der Aufgaben der Zentralen Stelle der Sozialhilfeträger in M-V beauftragt. Diese Zentrale Stelle hat die Aufgaben des bisherigen überörtlichen Trägers der Sozialhilfe, führt diese Bezeichnung aber formell nicht mehr. Bis auf die zusätzliche Aufgabe, die Sozialhilfeträger (Landkreise und kreisfreien Städte) bei den Pflegesatzvereinbarungen nach § 85 Abs. 2 SGB XI gesetzlich zu vertreten, ist der Aufgabenumfang im Grunde gleich geblieben. Geändert hat sich der Aufgabencharakter. Es handelt sich nun um Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis, sodass das Ministerium, welches für Soziales zuständig ist, nun die Fachaufsicht führt. Nach Verstreichen der gesetzlichen Frist, ggf. die zentrale Stelle woanders anzusiedeln, ist der KSV M-V nun seit dem 01.01.2018 Träger der zentralen Stelle.

Die relevante inhaltliche Änderung besteht in der Einführung eines quotalen Systems in der Finanzierung der Sozialhilfeausgaben. Nachdem das Land - bis auf die Leistungen der Grundsicherung, welche der Bund trägt - bislang 100% der stationären und teilstationären Leistungen im Rahmen eines Budgets finanzierte, beteiligt er sich nunmehr an allen (Netto-)Sozialhilfeaufwendungen im Rahmen einer Kostenerstattung. Ziel ist eine verbesserte Durchlässigkeit zwischen den Hilfeformen zu ermöglichen, was vom KSV M-V schon seit vielen Jahren angemahnt worden war.